Zur
politischen Nostalgie unserer Tage gehört auch der melancholische Rückblick auf
die Zeit des Kalten Krieges, als das „Gleichgewicht des Schreckens“ den Atomkrieg
verhindert hat. In der bipolaren Welt der beiden Supermächte war alles klar geordnet,
die Einflusssphären waren abgesteckt.
Betrachtet
man die Geschichte seit 1945 etwas näher, erweist sich die Metapher vom Kalten
Krieg als Lebenslüge ganzer Generationen. In Wirklichkeit war die Zeit bis zum
Ende der Sowjetunion 1991 alles andere als friedlich.
Es
begann mit der vergleichsweise harmlosen Berlin-Blockade 1948, als die Allianz
der vier Siegermächte endgültig zerbrach. Es folgten die Stellvertreterkriege
in Korea (50er Jahre), Vietnam (60er / 70er Jahre) und Afghanistan (80er
Jahre). Dazu kamen noch viele andere blutige Konflikte wie der algerische
Unabhängigkeitskrieg, die Kriege der Araber gegen Israel, der irakisch-iranische
Krieg usw.
Auch
in den jeweiligen Machtsphären gab es zahlreiche Tote. In Osteuropa wurden die
Aufstände in der DDR, in Ungarn, in der CSSR und schließlich in Polen
niedergeschlagen, dazu kamen die Toten an der innerdeutschen Grenze. Die
USA sicherten sich ihren „Hinterhof“ Lateinamerika mit zahlreichen
Militäreinsätzen, weitere Stichworte sind Schweinebucht, Contras und Allende.
In
diesen Jahrzehnten sind viele Millionen Menschen ums Leben gekommen. Man kann
die Opferzahlen zwar nicht mit dem Zweiten Weltkrieg vergleichen, sicher aber
mit dem Ersten Weltkrieg. Ist die Welt nach dem Ende des Kalten Krieges ein
friedlicherer Ort geworden? Nein.
Die
Amerikaner haben zwei Steilvorlagen, Iraks Einmarsch in Kuwait 1990 und die
Terroranschläge von 2001, genutzt, um ihren langgehegten Traum von der
militärischen Besetzung der arabischen Ölfelder zu verwirklichen. Die Araber
machen weiterhin glänzende Geschäfte, die Amerikaner haben ihre
Militärstützpunkte. Außerdem sind ihnen die Länder Osteuropas wie eine reife
Frucht in den Schoß gefallen, ohne einen einzigen Schuss abgeben zu müssen.
Die
Russen führen aktuell Krieg in der Ukraine, haben im syrischen Bürgerkrieg auf
Seiten Assads mitgemischt, ihre Söldnertruppen waren an zahlreichen Kriegen in
Afrika beteiligt und sie machen, wie die Amerikaner, glänzende Geschäfte mit
ihren Waffen. Es ist nichts besser geworden und es wird auch nichts mehr
besser. Immerhin gibt es noch das Gleichgewicht des Schreckens, so dass der
große, der letzte Krieg vermutlich nicht stattfinden wird.