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Lohnt sich der Umstieg aufs Bürgergeld zum 1. Januar?

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Derzeit wird die Debatte um das erhöhte Bürgergeld sehr polemisch geführt, in erster Linie von der Opposition, die es kaum abwarten kann, die Ampel so schnell wie möglich zu beerben. Es wird behauptet, viele Arbeitnehmer würden ihre Jobs aufgeben, weil sich Arbeit nicht mehr lohnen würde.

Dazu lohnt sich ein differenzierter Blick auf die Themen Arbeit, Miete und Energiekosten. Miete und Nebenkosten sind inzwischen zu entscheidenden Faktoren bei der Berechnung geworden. Aber der Reihe nach. Hier ein Rechenbeispiel:

Ich gehe einfach mal von meiner Person aus. 57 Jahre alt, in Rheinland-Pfalz lebend. Dann nehme ich den Mindestlohn von 12 Euro brutto und gehe von einer Vollzeitstelle aus. Dann würde ich 1920 Euro brutto verdienen. Macht 1410 Euro netto bei Steuerklasse 1. Lohnt es sich zu arbeiten? In meinem Fall schon, da ich keine Miete zahle, sondern nur die Nebenkosten.

Bei uns im Dorf kenne ich einen Mieter, der 500 Euro warm bezahlt. Bei ihm blieben noch 910 Euro in der Kasse. Lohnt sich also auch noch. Anders in den Großstädten. Bei mir in Berlin wohnt ein Mann im Haus, der 1100 Euro warm bezahlt – für eine Einzimmerwohnung. Blieben 310 Euro übrig. Arbeit würde sich nicht mehr lohnen, denn das Bürgergeld beträgt 563 Euro. Noch unattraktiver wird Arbeit für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern unter 14 Jahren. Sie bekäme 1343 Euro Bürgergeld.

Das Thema Bürgergeld statt Arbeit ist also in erster Linie ein Thema im Niedriglohnsektor und in zweiter Linie ein Großstadt-Thema. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland (Vollzeitstelle) liegt bei über 2500 Euro netto. Bürgergeld lohnt sich nicht, für Friedrich Merz schon mal gar nicht. Es gibt mehrere Lösungsmöglichkeiten. Der Mindestlohn könnte erhöht werden, in den Großstädten könnte mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden oder die Arbeitnehmer ziehen aufs Land und nehmen weite Wege zur Arbeitsstelle in Kauf.

All dies wird nicht passieren, schon gar nicht mit einer unionsgeführten Regierung. Also werden die Münchner Gastwirte auch weiterhin keine Küchenhilfe finden, die Frankfurter Hoteliers keine Zimmermädchen, die Krankenhäuser keine Pflegekräfte, die Kindergärten keine Erzieherinnen. Sowas kommt von sowas. Man kann es keinem Menschen übelnehmen, wenn er Arbeit im Niedriglohnsektor unattraktiv findet. Auch die Unterschicht hat im neoliberalen Zeitalter gelernt, ökonomisch zu denken. Was volkswirtschaftlich bedenklich erscheint, ist betriebswirtschaftlich für den Einzelnen sinnvoll.     

 


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