Von
außen wirkte der „Vorstadtkrug“ wie eine gemütliche Eckkneipe, aber eigentlich
war es nur eine heruntergekommene Spelunke. Der adipöse Wirt hockte wie eine
fette Spinne hinter dem Tresen. Seine bratwurstartigen Finger wirkten, als
seien sie zusammengewachsen, und man wunderte sich, dass er die Gläser beim
Bierzapfen nicht zerquetschte. Er hatte fettige schwarze Haare und seine
fleckige Schürze wirkte genau schmierig wie der ganze Rest. Ein penetranter
Geruch nach Zwiebeln, Schweiß und Roth-Händle umgab ihn.
Mit
den Stammgästen, die am Tresen saßen, war er meistens in vertrauliche Gespräche
vertieft. Andere Gäste wurden nur stumm und achtlos, um nicht zu sagen
widerwillig bedient. Fremde bekamen gar nichts. Ich wohnte schon seit zwei
Jahren in diesem Viertel, kam regelmäßig ins Lokal und war dennoch in der
Rangordnung ganz unten. Warum ich mich den Launen dieser Qualle überhaupt
aussetzte, war mir selbst unverständlich.
Nach
drei kleinen Bieren zahlte ich am Tresen, erhielt für mein Trinkgeld wie immer
keinen Dank und verließ das ungastliche Haus. Draußen dämmerte es bereits und
die Straßenlaternen waren angegangen. Ich überquerte die Straße, als gerade ein
Pulk Angestellter die Treppe der U-Bahnstation heraufkam, die auf dem Heimweg
waren.
Da sah
ich ihn. Mich traf fast der Schlag. Er sah genauso aus wie ich. Dieselbe Größe,
dieselben Gesichtszüge, dieselbe Haarfarbe. Es konnte nur eine Täuschung sein. Ich
beschloss, ihm zu folgen. Im Licht einer Laterne blieb er stehen, um sich eine
Zigarette anzuzünden. Ich betrachtete ihn genauer. Kein Zweifel. Hatte ich denn
einen Zwillingsbruder?
Er
ging weiter und ich folgte ihm mit einigen Abstand. Schließlich bog er in meine
Straße ein. Wollte er zu mir? Eine Minute später stand er vor meinem Haus. Kein
Zweifel. Er hatte sich offenbar meine Adresse besorgt und wollte seinen verschollenen
Bruder besuchen. Aber er klingelte nicht, sondern schloss einfach die Haustür
auf.
Vorsichtig
schlich ich um das Haus herum in den Garten. Mein Wohnzimmer hatte eine große
Glasfassade. Ich betrat die Terrasse und spähte hinein. Das Licht ging an und
der Mann setzte sich in meinen Sessel. Dann holte er sein Handy heraus und
telefonierte. Ich verstand die Sprache nicht, aber es klang wie Polnisch. Das
konnte nur eines bedeuten:
Die
Umvolkung Deutschlands war in vollem Gange!