Seit 33 Jahren lebe ich allein,
seit 23 Jahren bin ich nicht mehr berufstätig. Ich habe endlich meine Ruhe. Ich
kann machen, was ich will. Ich lebe den Traum meiner Kindheit. Sommerferien,
die niemals zu Ende gehen. Als ich manchmal noch im Schlafanzug beim Abendbrot saß.
Ein Leben nach dem Lustprinzip. Wenn ich am helllichten Tag ein Nickerchen
mache, muss ich es nicht begründen. Da ist niemand, der mich fragt, warum ich
das mache. Wenn ich Musik hören will, läuft die Platte, die ich ausgesucht
habe. Wenn ich um neun Uhr morgens den Fernseher einschalte, nörgelt niemand.
Ich erinnere mich an den Loriot-Sketch, in dem eine Frau aus der Küche ihren
Mann, der gerade im Sessel sitzt, fragt, was er gerade macht. „Nichts“. Das ist
mein Leben.
Da ich kein Gehalt beziehe,
zahle ich den Mindestsatz der Kranken- und Pflegeversicherung; dazu kommen die
Nebenkosten meiner kleinen Wohnung. Fünfhundert Euro Fixkosten, dazu ein wenig
Geld für Essen und Trinken und ab und zu mal ein neues T-Shirt. Keine Miete,
kein Auto, keine Auslandsreisen, keine Familie, keine teuren Hobbys. Ich habe
ausgerechnet, dass mein finanzieller Treibstoff bis 2050 reicht, wenn ich den
Ball flach halte. In acht Jahren gehe ich in Rente und könnte dann immer noch
die Grundsicherung beantragen – falls ich bei meinem Lebenswandel überhaupt so
ein hohes Alter erreiche. Man weiß ja nicht, wo die Roulettekugel liegenbleibt.
Meine Mutter starb mit 57, mein Vater mit neunzig. Auch in dieser Hinsicht habe
ich meine Ruhe.